Berufungen im Bundesstaat New York - interlocutory orders (Zwischenurteile)

Wenn New York die größte Fallzahl von Berufungsklagen in der ganzen Nation birgt, ist es ganz selbstverständlich, sich zu fragen, was an New York so besonders ist, dass seine Gerichte so beschäftigt sind.

Sicherlich hat eine Stadt mit über 8 Millionen Einwohnern jede Menge Gerichtsverfahren. Menschen brechen Verträge, lassen sich scheiden, verursachen Autounfälle, wurden durch medizinische Fehleingriffe geschädigt und begehen selbstverständlich Verbrechen, welche alle ein Zivilprozess oder ein Strafverfahren zur Folge haben können. Aber dies trifft auch auf viele andere Städte zu: Ist damit also die riesige Fallzahl in den Gerichten von New York zu erklären?

Genau genommen ist die Ursache, aus welcher das Gerichtssystem mit einer solch schweren Last versehen ist, einzigartig für New York (genauso wie auch die Nomenklatur, die den "Supreme Court" am unteren Ende der bundesstaatlichen Hierarchie des Gerichtswesens vorsieht). Die Ursache nennt sich interlocutory appeal (einstweilige Berufung oder Zwischenbeschwerde). Eine einstweilige Berufung stellt ein Rechtsmittel dar, das eingelegt wird, bevor der Fall zu einem abschließenden Urteil geführt wird, sprich noch während des restlichen Teils des Falls angehört wird. New Yorks Zivilprozessrecht sieht vor, dass in einem Fall, der an einem Supreme Court vorgebracht wird - im Gegensatz zu einem Gericht für geringfügige Forderungen (small claims court) - eine Partei in Bezug auf nahezu “jedes End- oder Zwischenurteil" eine einstweilige Berufung einlegen kann (CPLR [„Civil Practice Law and Rules“ – Zivilpraxis Gesetz und Regeln] § 5701(a), eigene Hervorhebung).

Eine Verfügung in einer Rechtssache ist nur dann “endgültig”, wenn sie über alle substanziellen Aspekte des Falls verfügt. Wenn also ein Gerichtsbescheid über einige, aber nicht alle Forderungen verfügt, die Forderungen für einige, aber nicht alle Parteien bestimmt oder ein Versäumnisurteil ausspricht, jedoch die Schadenshöhe nicht klärt, ist dieser nicht endgültig. Diese Verfügungen sind stattdessen einstweilig.

In vielen Bundesstaaten sind diese Verfügungen nicht berufungs- bzw. beschwerdefähig. In diesem Fall müssten Sie warten, bis alle Streitpunkte gegenüber allen Parteien gerichtlich beurteilt sowie alle Schadensersatzansprüche festgesetzt wurden, bevor Sie Berufung einlegen können.

Allerdings birgt ein System mit vielen Verfahrensanträgen, in dem Zwischenbeschwerden eingeräumt werden (sprich ein System wie in New York), zahlreiche Möglichkeiten, um ein höheres Gericht damit zu beauftragen, das Urteil einer gerichtlichen Vorinstanz zu prüfen. Hier sind einige Beispiele von Verfügungen, gegen welche eine Partei direkt Berufung einlegen kann:

  • Einhaltung einer notwendigen Bedingung, um eine Klage zu erheben. Wenn man gegen bestimmte staatliche Institutionen in New York eine Klage erheben möchte, setzt dies die Ausfüllung eines vorbereitenden Formulars mit der Bezeichnung notice of claim (Schadensanzeige) vor. Wenn Sie die Frist nicht einhalten und das Gericht Ihnen aber eine verspätete Einreichung ermöglicht, kann der staatliche Beklagte unmittelbar gegen diese Entscheidung eine Rechtsbeschwerde einlegen, ohne auf das endgültige Urteil in dem Fall warten zu müssen.

  • Motion to amend pleadings (Antrag auf Schriftsatzänderung). Manchmal zeigen die Beweismittel, die während der Beweisaufnahme ausgetauscht werden, dass ein weiterer Anspruch neben jenen vorliegt, die der Kläger bereits geltend gemacht hat, oder sie lassen erkennen, dass eine andere Rechtspersönlichkeit über einen zusätzlichen Rechtsverteidigung verfügt. Alternativ können die Beweismittel auch darauf hinweisen, dass eine weitere Rechtspersönlichkeit als Klagepartei oder beklagte Partei hinzugezogen werden muss. Jedoch ist es den Parteien lediglich gestattet, Beweise für Forderungen oder Verteidigungen einzureichen, die sie auch tatsächlich angeführt haben, und ein Rechtsschutz auf die an dem Gerichtsverfahren beteiligten Parteien beschränkt ist. Um diesem jedoch eine Forderung, eine Verteidigung oder eine zusätzliche Partei hinzuzufügen, ist eventuell ein Antrag auf richterliche Genehmigung erforderlich, damit der Schriftsatz geändert werden kann. Dieser Antrag stellt eine weitere Anfrage für einen einstweiligen Rechtsschutz dar, der in New York unmittelbar beschwerdefähig ist.

  • Anträge bezüglich des Beweisverfahrens. Der Austausch von Beweismitteln während der Beweisaufnahme kann zwischen den Parteien Streitfragen darüber aufwerfen, wer worauf ein Anrecht besitzt. Um diese Streitfragen zu klären, kann eine Partei das Gericht um eine zwingende Beweisaufnahme durch eine Verfügung bitten. In den meisten Bundesstaaten müsste der Ausgang eines solchen Rechtsstreits die endgültige Beurteilung abwarten, bevor eine Partei ein höheres Gericht damit beauftragen könnte, diese zu prüfen. In New York ist diese Verzögerung jedoch nicht notwendig.

  • Summary judgment/judgment as a matter of law (Beschleunigtes Verfahren / Urteil von Rechts wegen). Je nach Beweislage sind die Parteien eventuell in der Lage, einen Antrag auf ein judgement as a matter of law (Urteil von Rechts wegen) zu stellen, was von bestimmten Gerichten auch als trial on paper (Prozess auf dem Papier) bezeichnet wird. Dies kann bedeuten, dass die Elemente einer Klage so eindeutig von den zu Tage geförderten Tatbeständen bekräftigt werden, dass die Fortsetzung eines Gerichtsverfahrens nicht notwendig ist, oder dass die zum Vorschein getretenen Fakten die geltend gemachten Forderungen unmöglich bekräftigen können, sodass die Klage abgewiesen werden sollte. In jedem Fall strebt die antragstellende Partei ein Urteil von Rechts wegen an, anstatt darauf zu warten, dass die jury (die Geschworenen) über die Fakten des Falls bestimmen. Auch dies ist eine Entscheidung, die in anderen Bundesstaaten nur nach einem endgültigen Urteil überprüft werden kann, aber in New York unmittelbar beschwerdefähig ist.

Die Kompetenz der New Yorker Gerichte, einstweilige Berufungen und Zwischenbeschwerden anzuhören, räumt Prozessführern zahlreiche Möglichkeiten ein, höhere Gerichte um eine Prüfung zu bitten.

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Berufung an US-amerikanischen Gerichten - Bundesstaat New York